Doch keine Besteuerung teilentgeltlicher Grundstücksübertragungen?

Die Diskussion um die Besteuerung teilentgeltlicher Grundstücksübertragungen wird aktuell heißer. Ein neues Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen stellt die bisherige Auffassung in Frage und könnte weitreichende Folgen für Steuerpflichtige haben. Wir beleuchten die Hintergründe der Rechtslage, erläutern die Entscheidung des Gerichts und die möglichen Auswirkungen auf künftige Grundstücksübertragungen. Hier erfahren Sie, was dieses Urteil für Sie bedeuten könnte!

14. Oktober 2024
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Wird ein Grundstück teilentgeltlich (zum Beispiel im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge) innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) übertragen, führt dies nach bisheriger Sichtweise hinsichtlich des entgeltlichen Teils zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft. Das Finanzgericht Niedersachsen meint aber, dass § 23 EStG bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der historischen Anschaffungskosten keine Anwendung findet.

Zu den Hintergründen

Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Besteuerung im Sinne des § 23 EStG. Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.

Bisherige Rechtslage

Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlichen Teils ergeben. Hier ist nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums die Trennungstheorie anzuwenden.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung

V ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er zum 1. August 2018 für 100.000 Euro angeschafft hat. Er überträgt das Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zum 1. Januar 2024 auf seinen Sohn S, der das Grundstück bebauen will. Das Grundstück hat zum Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert von 180.000 Euro. Entsprechend muss S seine Schwester mit 90.000 Euro auszahlen.

V hat das Grundstück innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 EStG hinsichtlich des Gleichstellungsbetrags teilentgeltlich (zur Hälfte) an S veräußert und erzielt in diesem Umfang einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Dieser beträgt 40.000 Euro (90.000 Euro Teilentgelt abzüglich der hälftigen Anschaffungskosten von 50.000 Euro). Der unentgeltlich übertragene Teil löst bei V keine Steuerpflicht aus. Allerdings gehen die Besteuerungsmerkmale (Anschaffung am 01. August 2018 zu 50.000 Euro) auf S als unentgeltlichen Rechtsnachfolger über.

Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen

Das Finanzgericht Niedersachsen hat es in einem vergleichbaren Fall abgelehnt, die teilentgeltliche Übertragung der Besteuerung nach § 23 EStG zu unterwerfen. Das Finanzgericht verweist hierzu unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt – und zwar selbst dann, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern.

Das Finanzgericht kommt nun zu dem Ergebnis, dass auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG ausscheidet.

Bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung realisiert der Schenker keinen tatsächlichen Wertzuwachs. Ein nach § 23 EStG zu besteuernder Gewinn kann nicht entstehen, da der Ertragsteuer keine Vermögensverschiebungen im Privatvermögen unterliegen. Ein Wertzuwachs erfolgt nur beim Beschenkten, der damit den Regularien des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge) unterliegt.

Revision bereits eingelegt

Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung die Revision eingelegt. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ausfallen wird. In geeigneten Fällen sollten Steuerpflichtige ihre Steuerbescheide im Einspruchsweg offenhalten und auf die gesetzliche Verfahrensruhe verweisen.

Quelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 29.5.2024, Az. 3 K 36/24, Rev. BFH: Az. IX R 17/24; BMF-Schreiben vom 26.2.2007, Az. IV C 2 - S 2230 - 46/06 IV C 3 - S 2190 - 18/06; BFH-Urteil vom 23.4.2021, Az. IX R 8/20