Fünf Fakten zur »Situation der Apotheken 2023«
Ein Faktenblatt vom Bundesministerium für Gesundheit vermittelt den Eindruck, den Apotheken gehe es nicht schlecht. Warum dies so nicht stimmt und fünf Fakten, die die Situation der Apotheken im Jahr 2023 erläutern, haben wir für Sie zusammengefasst.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat kurz vor dem Apotheken-Protesttag am 14. Juni 2023 ein »Faktenblatt« für Journalisten veröffentlicht – mit einigen Wertungen. Der Eindruck hier zur »Situation der Apotheken 2023«: Die Einkommenssituation der Apotheker ist gut, die Perspektiven für eine wirtschaftliche Betriebsführung gegeben, die Versorgung gesichert, es besteht kein Handlungsbedarf. Ist das so? Unsere Erkenntnisse sind andere.
Umsatz ist nicht Einkommen – fallende Erträge trotz steigender Umsätze
Die Apothekenumsätze steigen weiter an. Führt das automatisch zu mehr Einkommen? Leider nein: Wieviel Ertrag vom Umsatz bleibt, hängt vom Wareneinsatz und den Betriebskosten ab. Die Verordnungen hochpreisiger Arzneimittel und ihr Anteil am Umsatz (für die GKV in 2022 circa 45 Prozent Anteil) steigen stetig, ebenso die Betriebskosten, die in 2022 – vor allem durch gestiegene Personalkosten – ein Plus von 8 Prozent auswiesen. Steigen die Betriebskosten stärker als der Umsatz, fällt der Ertrag. Nach Abzug des Wareneinsatzes und der Kosten bleiben derzeit von jedem eingenommenen Euro etwa fünf Cent Gewinn vor Steuern.
Sinkende Umsatzrenditen, sinkende Attraktivität der Selbstständigkeit
Eine »breite Einnahmebasis« nützt Apotheken also wenig, wenn die Umsatzrendite, das heißt der prozentuale Ertragsanteil vom Umsatz, nicht stimmt. Diese ist aber – pandemiebedingte Sondererträge 2020/21 ausgeklammert – in der Langfristbetrachtung seit Jahren rückläufig (2017-2019: 5,9 Prozent-5,8 Prozent-5,6 Prozent). Das Betriebsergebnis betrug im Jahr 2022 im Durchschnitt nur noch knapp 5,1Prozent. Vier von zehn Apotheken erzielten 2022 nur noch eine Umsatzrendite unterhalb von 4 Prozent. Für den Erwerb sowie Betrieb einer Apotheke muss der Eigentümer also im Verhältnis immer mehr investieren, organisieren, umsetzen und damit ins Risiko gehen als bisher. Das macht die Übernahme von Apotheken mehr und mehr unattraktiv und führt zu Schließungen
Betriebsergebnis: ein Drittel der Betriebe in kritischer Zone
Tatsächlich erreichen aktuell mehr als ein Drittel der selbstständigen Pharmazeuten mit ihrer Apotheke nicht einmal mehr die Hälfte des durchschnittlichen Ertrages, ihnen bleibt damit im besten Fall das Einkommen eines angestellten Apothekers. In immer mehr Fällen: nichts. Die Zahl der Betriebe in der Verlustzone ist mit über 13 Prozent Anteil eklatant hoch. Circa 1.150 Apotheken mussten zwischen 2020 und Mai 2023 schließen, die Schließungsdynamik nimmt zu.
Apotheken von wirtschaftlicher Entwicklung abgekoppelt
Seit der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung 2004 wurde das packungsbezogene Fixhonorar in fast 20 Jahren nur einmal angehoben von 8,10 Euro auf 8,35 Euro. Zwar stieg die Apothekenvergütung über alles je verordneter GKV-Packung um 21,4 Prozent gegenüber 2004, jedoch wuchsen Inflationsrate (+36,3 Prozent), Apotheken-Tariflöhne (+47,9 Prozent), Bruttoinlandsprodukt (+63,2 Prozent) und GKV-Einnahmen (+98,7 Prozent) ungleich stärker – eine Abkoppelung der Apotheken von der wirtschaftlichen Entwicklung.
Versorgung gesetzlich Versicherter ist Zuschussgeschäft
Nach unseren Berechnungen ist der Stückertrag in der Versorgung von GKV-Versicherten seit 2020 negativ und sank seither von -0,07 Euro über -0,15 Euro auf -0,27 Euro im Jahr 2022. Die Apotheke zahlt also statistisch bei jeder Packung auf GKV-Rezept drauf. Das ergibt sich aus einem Abgleich der für diese Versorgung anfallenden Betriebskosten und der hierfür erzielten Vergütung nach der Arzneimittelpreisverordnung. Die Verluste je abgegebener Packung muss die Apotheke durch Einkaufsvorteile und Erträge aus Zusatzverkäufen in anderen Segmenten ausgleichen.
Zwar führen steigende Arzneimittelpreise über den Drei-Prozent-Zuschlag auch zu höheren Apothekeneinnahmen. Das reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die negativen Stückerträge zu drehen. Denn gleichzeitig steigen Finanzierungskosten, Retaxationsrisiken sowie umsatzvariable Kosten deutlich an.
Da die Betriebskosten trotz aller individuellen Maßnahmen weiter steigen, lässt sich dieser Zustand nur durch eine Anpassung des Apothekenhonorars ändern. Das Fixhonorar »entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen« (§ 78 Abs. 1 S. 2 AMG), ist Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums.
Was fordern die Apotheker bei ihrem Streik im Hinblick auf Ihre aktuelle Situation? Den vollständigen Forderungskatalog der ABDA haben wir hier für Sie hinterlegt.
- Dr. Sebastian Schwintek
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
GeneralbevollmächtigterTelefon: 0511 83390 -232Fax: 0511 83390 -340