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Verordnungen und Vertrieb von Medizinal-Cannabis
Ist der Vertrieb von Medizinal-Cannabis (k)eine gute neue Geschäftsidee? Unser Rechtsanwalt Klaus Laskowski hat einen Blick auf aktuelle Gerichtsurteile sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen geworfen und klärt auf.

Seit der Teillegalisierung von Konsum-Cannabis und den Neuregelungen zur Verschreibung und Abgabe von Medizinal-Cannabis zum 01. April 2024 ist dieses Marktsegment ständig in Bewegung. Insbesondere durch den Switch vom Betäubungsmittel zum verschreibungspflichtigen Arzneimittel haben die Verschreibungen durch Ärzte und die Abgabe von Medizinal-Cannabis in den Apotheken stark zugenommen. Plattformen, die digitale Verordnungen und den Bezug von Medizinal-Cannabis zum Teil sogar zusammen bewerben, sind wie Pilze aus dem Boden »geschossen«. Ist das nun so ein »Hype« wie einst der »Goldrausch«? Um die 80 Prozent aller Verordnungen waren nach Auskunft von Dr. Christiane Neubaur vom Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e. V. (VCA) 100 Tage nach der Gesetzesänderung bereits Privatverordnungen. Viele Apotheken und auch Ärzte fragen sich aktuell, ob das für Sie ein Bereich sein kann, sich seriös zu engagieren und was dabei dann konkret zu beachten ist. Denn ungeachtet der politischen Diskussion, ob die Neuregelungen nun gut oder schlecht sind, gibt es jedenfalls im Bereich des Medizinal-Cannabis anerkannte und sinnhafte Therapieansätze. Verunsicherungen und damit einhergehend juristischer Beratungsbedarf kommt nun zusätzlich durch zwei aktuelle Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt und des Landesgerichts (LG) Hamburg vom März 2025 auf. Was sind also die zu beachtenden Fakten im Umgang mit Medizinal-Cannabis?
Neue Regeln zur Verschreibung
Das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) bestimmt zum einen den Wechsel vom Betäubungsmittel zum verschreibungspflichtigen Arzneimittel, wobei allerdings Zahnärzte und Tierärzte nach dieser Vorschrift nicht verschreibungsberechtigt sind. Aber Achtung: Alle Verschreibungen (digital wie analog) müssen den Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) entsprechen. Für das Rezept gilt insbesondere, dass sich die Gültigkeit auf in der Regel 3 Monate verlängert und die elektronische Verschreibung nunmehr statthaft ist. Neben deutschen Ärzten ist auch die Verschreibung durch Ärzte aus der EU, zusätzlich den EWR-Staaten Island, Lichtenstein und Norwegen sowie aus der Schweiz statthaft.
Online-Verschreibungen sind möglich
Die Musterberufsordnung für Ärzte (MBO – Ä) erlaubt Fernbehandlungen auch über Online-Portale. Behandlungen über Online-Plattformen sind also grundsätzlich statthaft (und in diesem Zuge auch das Ausstellen von ärztlichen Verordnungen), konkret allerdings nur, wenn diese nach Einschätzung des Arztes im Einzelfall fachlich vertretbar sind.
Nicht vertretbar ist es, wenn ein Rezept ohne echte Online-Konsultation eines Arztes zum Beispiel nach Beantwortung suggestiver Online-Fragebögen ausgestellt wird – da fehlt schon jegliche Prüfungsmöglichkeit des behandelnden/verschreibenden Arztes, ob die Behandlung im Einzelfall auch als Fernbehandlung online vertretbar ist. Aufgrund der nachfolgend dargestellten Rechtsprechung zur Werbung für diese Online-Plattformen wird man tatsächlich auch die Frage stellen müssen, ob eine Erstkonsultation online auch »face-to-face« in der Videosprechstunde überhaupt zulässig sein kann, oder erst die Folgebehandlung – das wird wahrscheinlich im Laufe der Zeit verlässlich die Rechtsprechung noch klären – bei Erstbehandlungen ist bis dahin für Ärzte Vorsicht geboten!
Werbung für Fernbehandlungen zumeist unzulässig
Rechtlich viel stärkere Einschränkungen gibt es im Bereich der Werbung für Fernbehandlungen. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet die Werbung für Fernbehandlungen zunächst generell, lässt dann aber eine Rückausnahme zu. Nur wenn der persönliche Kontakt zu den Patienten nach allgemein anerkannten Standards (Leitlinien!) nicht erforderlich ist, ist eine Werbung für Fernbehandlungen überhaupt statthaft. Das heißt, der werbende Arzt muss anhand von solchen Leitlinien im Zweifel auch belegen können, dass die Werbung für seine Fernbehandlung zulässig ist, also dies im Rahmen der medizinischen Standards so als gesichert gilt.
Was online im Einzelfall therapeutisch an Fernbehandlungen durchgeführt werden kann, entscheidet damit individuell der behandelnde Arzt. Ob der Arzt seine Fernbehandlung bewerben darf, ergibt sich demgegenüber erst aus dem Vorhandensein von allgemein anerkannten ärztlichen Leitlinien.
Dazu hat das OLG Frankfurt mit einer nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 6. März 2025 entschieden, dass beispielsweise der Slogan »Ärztliches Erstgespräch vor Ort oder digital« gegen diese Vorgabe verstößt. Denn es gebe eben keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards dafür, dass eine Erstbehandlung mit medizinischem Cannabis gleichwertig digital erfolgen kann. Vergleichbar hat das LG Hamburg mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 11. März 2025 es einer anderen Plattform untersagt, für die Durchführung von telemedizinischen Behandlungen zu werben, bei denen die Verschreibung von medizinischem Cannabis angestrebt wird. Hier sei auf die erheblichen Risiken der Suchtgefahr sowie weiterer Gesundheitsrisiken hinzuweisen, die nach Auffassung des LG Hamburg sogar stets einen persönlichen Kontakt voraussetzten. Ob diese Aussage höchstrichterlich bestätigt wird, bleibt abzuwarten.
Als erstes Zwischenfazit wird man festhalten können, dass die echte telemedizinische Fernbehandlung im Einzelfall mit einer zumindest Online-Konsultation des Arztes möglich ist, eine generalisierende Werbung hierfür aber als unzulässig gilt.
Relevantes bei der Abgabe – Formalien
Die Apotheke wird zum einen die Formalien der Verordnung zu prüfen haben. Handelt es sich also beispielsweise um einen Arzt aus der EU/EWR/Schweiz, ist es ein Humanmediziner? Sind die Vorgaben der AMVV erfüllt? Faxe und Kopien stellen dabei ebenso wie ein Scan, der zum Beispiel per Mail übermittelt wird, kein gültiges Rezept dar. Das gilt natürlich auch bei Cannabis-Verordnungen.
Elektronische Verschreibungen müssen auch außerhalb der Telematikinfrastruktur für den GKV-Bereich so gestaltet sein, dass die Apotheke diese mit der eigenen elektronischen Signatur ergänzen kann. Ansonsten ist die Abgabe zu verweigern.
Missbrauchskontrolle in der Apotheke
Grundsätzlich gilt auch hier bei einer formal korrekten Verordnung der Kontrahierungszwang in der Apotheke. Die Apotheke muss die Diagnose nicht kennen oder überprüfen. Auch gibt es seitens der Apotheke keine Verpflichtung zu überprüfen, ob beim Arzt die Voraussetzungen für eine Fernbehandlung im Einzelfall tatsächlich vorgelegen haben. All das sieht man der Verordnung grundsätzlich auch nicht an.
Wie sonst auch, gibt es aber die Pflicht der Apotheke, eine Verordnung erst dann zu beliefern, wenn alle Bedenken (formelle ebenso wie Missbrauchsbefürchtungen) beseitigt wurden. Wer also zum Beispiel Kenntnis davon hat, dass keine echte Arztkonsultation erfolgt ist, etwa die Verordnung nur aufgrund des Ausfüllens eines suggestiven Online-Fragebogens zustande gekommen ist, der im Zweifelsfall solange neu ausgefüllt werden kann, bis alles passt und das Rezept da ist, sollte also ebenfalls die Abgabe verweigern.
Eigentlich wenig überraschend, gilt das Verbot der Laienwerbung für sämtliche verschreibungspflichtige Arzneimittel - mithin auch für Cannabis. Wer also auf seiner Homepage, in seinem Versandshop oder auf einem angeschlossenen Shopsystem aktiv als Apotheke für die verschiedenen Medizinal-Cannabis-Präparate wirbt, muss daher mit einer Beanstandung rechnen.
Dass dies nicht nur dann gilt, wenn die Apotheke als Vertreiber dieser Produkte diese Werbung schaltet, sondern auch bei ärztlich oder anderweitig organisierten Portalen, die für die ärztliche Verschreibung durch angeschlossene Ärzte und deren Einlösung durch angeschlossene Apotheken werben, haben unisono auch das OLG Frankfurt und das LG Hamburg in den bereits oben zitierten Entscheidungen bestätigt. Daher wurden die Betreiber der Fernbehandlungsportale zu einem Unterlassen jeglicher Hinweise auf medizinische Cannabisprodukte, da es sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, verurteilt.
Alleine das Wort »Cannabis« ist hier schon das Synonym für das verschreibungspflichtige Arzneimittel und damit in der Werbung zu unterlassen. Eine verbotene »Werbung für Arzneimittel« stellen nämlich laut OLG Frankfurt auch Maßnahmen dar, die die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder Verbrauch von unbestimmten Arzneimitteln fördern sollen. Die Mitgliedstaaten der EU seien grundsätzlich kraft EU-Richtlinie verpflichtet, Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel schlechthin zu verbieten; die untersagte Werbung ziele auch darauf hin, die Nachfrageentscheidung des Verbrauchers nach medizinischem Cannabis zu beeinflussen, was unzulässig sei.
Angaben im Bestellprozess bleiben zulässig
Andererseits bleibt es natürlich dabei, dass Apotheken mit einer behördlichen Versanderlaubnis berechtigt sind, verschreibungspflichtige Arzneimittel, auch Medizinal- Cannabis, nach Vorlage einer gültigen Verschreibung im Wege des Versandes an Patienten zu versenden. Das geht natürlich auch über einen Versandshop, für den dann das EU-Sicherheitslogo für Online-Arzneimittelhändler vorzuhalten ist. Denn damit hier der Bestellprozess überhaupt funktionieren kann, hat der Gesetzgeber mit Einführung des Arzneimittelversandhandels bestimmt, dass das HWG nicht für die zur Bestellung notwendigen Angaben auf dem Bestellformular, beim elektronischen Handel und für Verbraucheranfragen zu konkreten Arzneimitteln gilt.
In der Praxis wird dies in Bezug auf die spezialisierten Versandshops – auch von Apotheken – aber oft noch nicht ausreichend berücksichtigt. Denn außerhalb des Bestellvorgangs und konkreter Verbraucheranfragen gilt das HWG. Wer also auf der Startseite seines Shops bereits konkrete Cannabisprodukte, allesamt bekanntlich verschreibungspflichtig, namentlich erwähnt oder auch nur allgemein darauf hinweist, dass bei ihm im Shop Cannabis zu beziehen ist, muss wegen der Werbung für Rx gegenüber Laien mit einer Beanstandung durch Mitbewerber (wettbewerbsrechtliche Abmahnung), mit Bußgeldern durch die Aufsichtsbehörden sowie berufsrechtliche Beanstandungen durch seine Ärzte- oder Apothekerkammer rechnen. Dies zeigen gerade die aktuellen Entscheidungen aus Frankfurt und Hamburg sehr gut.
Last but not least: Zuweisungsverbote beachten
Gerade bei den auf dem Markt befindlichen Portalen, in denen Rezeptausstellung und Versand des Medizinal-Cannabis durch angeschlossene Partner – Ärzte wie Apotheken – ausgelobt werden, ist auch auf die ärztlichen, wie apothekerlichen Beeinflussungs- und Zuweisungsverbote von Patienten wie Verschreibungen hinzuweisen.
Denn zum einen ist es nach der ärztlichen Musterberufsordnung den Ärzten verboten ohne hinreichenden Grund an andere Leistungserbringer zu verweisen oder diese zu empfehlen, oder gar dafür Entgelte oder sonstige Vorteile für sich oder auch Dritte zu generieren.
Vergleichbare Verbote gibt es sowohl in den Berufsordnungen der Apothekerkammern der Länder oder auch dem Apothekengesetz, wonach die Absprache über die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen verboten bleibt.
In besonderen Konstellationen, insbesondere bei entgeltlicher Zuweisung, droht sogar ein Aufgreifen als Straftat, da seit 2016 Korruption im Gesundheitswesen für alle Beteiligten strafbar ist.
Wer sich hier an solchen Kooperationen beteiligen möchte, sollte diese geplante Zusammenarbeit daher auf jeden Fall vorab von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen. Gleiches gilt für die Gestaltung eines spezialisierten Versandshops.
So hat beispielsweise das OLG Frankfurt in der bereits erwähnten Entscheidung auch die Vergütungsregelung zwischen Portalbetreiber und kooperierendem Arzt als Verstoß angesehen, weil das Portal für die Vermittlung der Portalbesucher an den Kooperationsarzt unter anderem eine Vermittlungsgebühr vorgegeben hat, die als verdeckte Vermittlungsprovision vom Gericht untersagt wurde.
Der sich neu sortierende Markt bietet gleichermaßen Chancen wie Risiken. Gut beraten kann dies aber ein lohnenswertes Engagement in einem Wachstumsmarkt sein. Dies setzt natürlich voraus, dass der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zum Nachteil der Beteiligten verändert. Es bleibt spannend.
Quellen: § 3 Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG), §§ 2 und 4 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO – Ä), § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG), Entscheidung OLG Frankfurt Az.: 6 U 74/24, Entscheidung LG Hamburg Az. 406 HKO 68/24, § 1 Abs. 5, Abs. 6 HWG, § 31 Abs. 2 MBO – Ä, § 31 Abs. 1 MBO – Ä, § 11 Abs. 2 BO der Bayerischen Landesapothekerkammer, § 11 Apothekengesetz, §3 299a und 299b StGB, § 31 Abs. 1 MBO – Ä