Der Weg zur Lösung – Erfolgreich verhandeln

Verhandlungen sind täglicher Bestandteil unseres Lebens, doch auf dem Weg zur Einigung lauern einige Hindernisse. Wie bereite ich mich gut auf ein Gespräch vor? Wie erkenne ich psychologische Tricks, ehe sich die Schlinge zuzieht? Welche Möglichkeiten habe ich, dass ich nicht zu viele Zugeständnisse mache? Wir zeigen, wie beiden Seiten gewinnen können.

02. Mai 2024
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Der Mitarbeiter, der mehr Geld fordert. Der Lieferant, der neue Konditionen durchsetzen möchte. Der Kunde, der über den Preis verhandeln will. Verhandlungssituationen gibt es im Berufsleben ständig. In allen Fällen geht es darum, mit Hilfe von Kommunikation und Strategie einen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen aller Parteien zu erreichen.

Wenn es um Verhandlungen geht, hört man oft folgende Aussagen: »Ich bin kein guter Verhandler. Das kann man nicht lernen!« und »Bei Verhandlungen gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer.« Beides ist grundfalsch. Verhandlungsführung ist erlernbar. Es gibt Regeln, die Vorbereitung und Gesprächsführung erfolgreich machen und Sicherheit geben. Und: Eine gut geführte Verhandlung kann ergeben, dass die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden. Damit ist kein »fauler« Kompromiss gemeint, sondern eine Win-Win-Situation, von der beide Seiten profitieren.

Vorbereitung ist alles

Die Vorbereitung auf die Gesprächssituation legt den Grundstein für den späteren Erfolg. Es gilt, die eigenen Interessen zu reflektieren und Ziele zu definieren. In welcher Verhandlungsposition befinde ich mich? Was möchte ich erreichen? Was wäre ein Minimal- beziehungsweise Maximalergebnis? Welche Schmerzgrenze darf nicht überschritten werden? Welche Zugeständnisse kann ich machen? Im Vorfeld sollten auch Fakten und Argumente gesammelt werden, die die eigene Position stützen. Doch nicht nur die eigene Person sollte im Fokus stehen. Genauso wichtig ist es, sich die gleichen Fragen über den Verhandlungspartner zu stellen. Auch dieser hat Ziele, Grenzen und gute Argumente. Wer diese kennt, kann zielgerichtet vorgehen.

Nicht gleich zur Lösung kommen

Die besten Gespräche finden in einer angenehmen Atmosphäre statt. Das beginnt bereits bei der Auswahl der geeigneten Räumlichkeiten, der Bewirtung, dem pünktlichen Beginn. Smalltalk zu Beginn lockert die Atmosphäre auf und baut eine Brücke zum Gegenüber auf. Zur Orientierung ist es für beide Seiten hilfreich, eine Tagesordnung der zu besprechenden Punkte und den Zeitbedarf festzulegen. Hat man sich gut vorbereitet, fällt der Einstieg in die eigentliche Verhandlung leicht. Sowohl die eigenen Argumente als auch die Gegenargumente sind bereits zurechtgelegt. Dennoch gilt es, flexibel zu bleiben! Nicht jede Verhandlungssituation lässt sich im Voraus antizipieren.

Ein häufiger Fehler besteht darin, sich gleich zu Beginn auf die Suche nach einer Lösung zu begeben, ohne dass sich beide Seiten über ihre Ziele, Argumente und Interessen ausgetauscht haben. Doch gerade dies ist als Brücke zur Lösung unerlässlich. Sie kostet Zeit, sichert aber ein erfolgreiches Ergebnis. Wichtig ist, auch bei längeren Unterredungen konzentriert zu bleiben. Ein interessierter Gesichtsausdruck und eine offene Körperhaltung signalisieren Aufmerksamkeit und Vertrauen. Durch geschickte Fragen und »aktives« Zuhören erfährt man wichtige Details vom Gesprächspartner. Je mehr Informationen man vom Verhandlungspartner erhält, desto besser kann die eigene Argumentationslinie angepasst werden. Erfahrene Verhandler erzählen auch über sich selbst, von den eigenen Absichten und Zielen und schaffen so Vertrauen und Orientierung.

Wege aus der Sackgasse

Verhandlungen können an vielen Stellen ins Stocken geraten, weil eine Seite Einwände oder Bedenken hat. Es ist falsch, darin ein Hindernis zu sehen. Einwände können als positive Signale gewertet werden, denn sie zeigen, dass der Partner an einer Lösung interessiert ist. Man selbst konnte aber noch nicht die Argumente liefern, die für den anderen wichtig sind. Es gilt der Grundsatz: Wer sagt, was ihm nicht gefällt, sagt gleichzeitig auch, was ihm gefällt!

Ein Fehler wäre es, bei Einwänden oder kritischen Fragen auf Konfrontation zu gehen, sich zu rechtfertigen oder sofort Zugeständnisse anzubieten. Stattdessen sollte man sich bemühen, den Dissens offenzulegen und aufzulösen. Beispiele für Argumentationstechniken sind in Abbildung 1 dargestellt.

Psychologische Tricks erkennen

Nicht alle Partner spielen fair. Manche versuchen, die Gegenseite psychologisch unter Druck zu setzen. Es gibt verschiedene Tricks in der Gesprächsführung, auf die es zu reagieren gilt.

  • Ultimatum: Der Verhandlungspartner vermittelt das Gefühl, dass es keine Alternative zu seiner Forderung gibt. Er drängt zur schnellen Annahme des Angebots.
    Lösung: Wer vorschnell ein Angebot annimmt, erreicht meist ein schlechtes Ergebnis. Ein Ultimatum ist oft vorgeschoben, Alternativen gibt es immer, auch Zeit ist meist genug vorhanden. Wichtig ist, ruhig zu bleiben und das Ultimatum bestimmt abzulehnen. Wenn dennoch Interesse an dem Angebot besteht, sollte dies deutlich gemacht werden.
  • Überfall: Der Verhandlungspartner platzt unangemeldet und ohne Absprache herein. In einer Blitzverhandlung sollen schnell Lösungen gefunden werden.
    Lösung: Der Zeitdruck ist zum eigenen Nachteil, da man unvorbereitet ist. Sinnvoll ist es, auf einen Termin zu bestehen und sich bereits im Vorfeld Leitlinien für solche Situationen zurechtzulegen.
  • Vergleichsangebote: Der Verhandlungspartner weist auf Alternativen hin, die angeblich besser sind.
    Lösung: Wichtig ist, mehr Details zu erhalten. Gibt es das Gegenangebot wirklich oder ist es nur vorgeschoben? Ist es überhaupt mit dem eigenen Vorschlag vergleichbar? Eine Wiederholung von Nutzen und Vorteilen ist hilfreich. Zugeständnisse sollten nur gemacht werden, wenn sie innerhalb der selbst gesetzten Grenzen liegen.
  • Ablenkung: Der Verhandlungspartner schweift immer wieder vom Thema ab.
    Lösung: Ablenkung offenbaren (»Wir reden heute über X, nicht über Y.«) und immer wieder auf das eigentliche Thema zurückkommen. Auf die Tagesordnung verweisen. Wichtiges in einen »Themenspeicher« aufnehmen und in einer separaten Sitzung behandeln.
  • Salamitaktik: Der Verhandlungspartner verhandelt jedes Detail einzeln. Dabei werden bei jedem Punkt neue Zugeständnisse gefordert.
    Lösung: Deutlich machen, dass über ein Gesamtpaket verhandelt wird. Idealerweise wird dies gleich zu Beginn auf einer Tagesordnung festgehalten.
  • Druck und Drohungen: Der Verhandlungspartner spricht verbale Drohungen aus oder zermürbt durch unangemessenes Verhalten.
    Lösung: Ruhig und sachlich bleiben und nicht darauf einlassen. Hier ist eine deutliche Aussage nötig: Entweder kehren die Verhandlungen auf eine sachliche Ebene zurück oder sie werden abgebrochen.

Warnung als letztes Mittel

Ein guter Ansatz für Verhandlungen ist der »Wie du mir, so ich dir«-Stil. Man gibt dem anderen zunächst einen Vertrauensvorschuss, erwartet aber im Gegenzug ein gleiches Verhalten. Wenn man merkt, dass der Verhandlungspartner mit unfairen Tricks agiert, muss gehandelt werden. Es ist unmöglich, mit einer eigenen fairen Verhandlungsführung kooperative Lösung zu erreichen, wenn sich die andere Seite unfair verhält. In dieser Situation ist ein »Schuss vor den Bug« nötig, doch Achtung: Eine falsch eingesetzte Warnung kann eine ganze Verhandlung zerstören. Sie sollte immer als letztes Mittel eingesetzt werden und niemals zu Beginn einer Verhandlung. Man muss aber auch in der Lage sein, die Warnung umzusetzen. Mit leeren Drohungen macht man sich lächerlich. Bemerkt man, dass die Gegenseite ihr Verhalten ändert und sich wieder kooperativ verhält, kehrt man ebenfalls wieder in die positive Grundhaltung zurück.

Der Weg zur Lösung

Der Weg zu einem Win-Win-Verhandlungsergebnis führt über die Kenntnis der Interessen des Gegenübers, nicht über die Positionen. Hat man diese Interessen im Laufe des Dialogs erkannt und herausgearbeitet, findet man auch bei scheinbar unvereinbaren Positionen eine Lösung. Ein Beispiel: Zwei Kinder streiten sich abends, ob das Licht im Zimmer an oder aus sein soll. Die Eltern kommen dazu und fragen: »Warum soll denn das Licht an oder aus sein?« Sagt das eine Kind: »Es ist zu hell. Ich will schlafen.«, das andere hingegen: »Ich will noch lesen und brauche Licht.« Die Eltern schalten die große Deckenleuchte aus und eine kleine Leselampe am Bett an. Die Geschichte veranschaulicht eine Situation, in der zunächst unvereinbare Positionen im Raum stehen (Licht an oder aus). Erst als man sich der dahinterliegenden Interessen bewusst wurde, konnte eine Lösung gefunden werden.

Diesen Interessenausgleich gilt es auch in Verhandlungen zu finden. Gelingt es nicht, eine Lösung zu finden, kann es besser sein, die Verhandlungen abzubrechen, anstatt einen Kompromiss zu suchen. Wohl dem, der vorher Minimalziele und Grenzen definiert hat. Denn beim Kompromiss geben beide Seiten Ziele und Interessen auf, um ein Ergebnis zu erzielen. Oft kann eine Verhandlung dadurch gerettet werden, dass ein Gesamtkomplex in mehrere Punkte aufgeteilt wird. In diesem Fall kann man das strittige Thema ausklammern und sich auf die Teilergebnisse verständigen, bei denen man sich einig ist. In jedem Fall ist das Besprochene schriftlich festzuhalten.